Kinderschutz oder Propaganda?
Sind alle Eltern Täter?
Ein überaus interessanter Artikel in der mobilen Ausgabe der Zeit befasst sich mit dem hysterischen aber modern gewordenen Kinderschutz. Journalistin Nina Pauer bringt es auf den Punkt:
„Mit jedem neu aufgedeckten Missbrauchsfall aus Kirche, Jugendeinrichtungen, Parteien und auch der Kunst (…) steigt die Betroffenheit – und damit der alarmierte Blick auf die Gegenwart.“
Weiter geht es im Artikel mit dem Bezug auf den Werbespot „Ich will kein Täter werden“. Aber sind nicht schon alle Eltern Täter? Zumindest kann man das annehmen. Denn derzeit rücken zwei Rechtsmediziner ins Rampenlicht mit ihrem Buch Deutschland misshandelt seine Kinder. Michael Tsokos, Professor für Rechtsmedizin und Leiter des Instituts für Rechtsmedizin der Charité. Dr. Saskia Etzold, ehem. Guddat, Rechtsmedizinerin. Die ihren Gatten über der Leiche eines Erhängten kennen- und lieben lernte.
Etzold, unter dem Ledigennamen Guddat, und Tsokos traten in der Stern TV Sendung am 26. Februar 2014 auf. Das Medium berichtete über zwei Brüder, die Jahre lang von Pflegeeltern misshandelt wurden.
Es kommt zu einer solchen Äußerung:
Das Schlimmste, was Kindern passieren kann, sind ihre Eltern!
Es wird gar nicht mehr unterschieden zwischen Eltern und vom Staat bestellten Pflegeeltern! Täter sind einfach „Eltern“ und so wird die Wahrnehmung der Zuschauer in einen anderen Fokus gerückt.
Lesetipp: Amtshaftungsklage – Schadensersatz und Schmerzensgeld
Das System ist krank – die Gesellschaft auch
Unreflektierte Zustimmung zu mehr Eingriffen atomisiert das System Familie
In der Berliner Zeitung Tsokos am 15.12.2013 auf die Frage, ob sich Kindesmisshandlungen durch alle sozialen Schichten zöge:
„In den Villen am Stadtrand wird genauso geprügelt wie in den Wohnsilos in Marzahn oder Neukölln. Das zieht sich durch alle Schichten und alle Religionen.“
Zu einer vergleichbaren Einschätzung kommen auch Prof. Theresia Höynck, Rechtswissenschaftlerin und Kriminologin sowie Prof. Christine Swientek, Kriminologin und Erziehungswissenschaftlerin. Swientek wird in der Wikipedia unter Neonatizid wie folgt zitiert:
„Unter den Frauen, die ihr Baby umgebracht haben, waren Schulmädchen genau so wie Krankenschwestern und Sozialpädagogik-Studentinnen. Es geht durch alle Schichten, durch alle Altersklassen“.
Sind jetzt nach Alleinerziehenden, armen Familien und Hartz-4-Empfängen auch die Gutsituierten dran?
Bei RTL ist zu lesen, Guddat kritisiere, Jugendämter und Familienhelfer würden ihrer Wächterfunktion nicht gerecht. Der Fernsehsender berichtet über Heinz Hilgers, Präsident Kinderschutzbund, der es als Herausforderung sehe, Risikofamilien zeitig zu erreichen.
Was sind demnach Risikofamilien, wenn es Misshandlungsfälle in allen sozialen Schichten gibt? Das Modell Familie wird unter Kollektivverdacht gestellt.
Tsokos vermisse Reformen im Kinderschutz. So dieser bei RTL:
„Da ist seit 20 Jahren nichts passiert.“
„Das System ist krank.“
Krank ist womöglich eine Gesellschaft, die dem Wahn eines unreflektierten Kinderschutzes meint, folgen zu müssen. Aufgrund handverlesener Extremfälle. Sachliche Themenbefassung ist angesichts dessen kaum mehr möglich.
Krank ist auch:
- Wenn Väter nicht ihre Kinder baden können, ohne Sorge haben zu müssen, eines Tages deswegen dem schlimmsten Vorwurf, dem Missbrauch am eigenen Kind, beschuldigt werden zu können.
- Wenn Eltern sich nicht mehr zu erziehen trauen, weil die Angst vom Jugendamt im Nacken sitzt.
- Wenn Eltern nur noch funktionierende Zuchtmaschinen sein dürfen.
- Wenn liebende Eltern, die um ihre Kinder kämpfen, als psychisch krank erklärt werden.
- Wenn Eltern keine Menschen mit Schwächen, Fehlern und nicht unbegrenzt belastbaren Nerven mehr sein dürfen.
- Wenn Eltern, die an ihre Grenzen geraten, sich Hilfe suchend an Kinderschutzbund oder Jugendamt wenden können, Angst haben müssen, dadurch ihre Kinder zu verlieren.
- Wenn Kinderschutzbehörden Hilfe suchenden Eltern als einzige Hilfe den Entzug der Kinder vorschlagen oder diesen zuteil werden lassen, anstatt konkrete Hilfestellungen geben zu können.
- Wenn der Staat Kinderschutz nennt, was jährlich Opfer im mittleren fünfstelligen Bereich erzeugt.
Auch das, was in diesem Video zu sehen ist, wird von der Bundesrepublik Deutschland als Kinderschutz bezeichnet. Zum Wohle des Kindes!
Krank ist, dass unter allen betroffenen Familien lediglich zwei (sic!) Fälle bekannt sind, an die die Bundesrepublik Deutschland Schmerzensgeld für die falsche Wegnahme ihrer Kinder bezahlen musste. Im Fall der Familie Conny und Josef Haase wurden den Eltern 50.000 Euro zugesprochen. Dafür, dass die gesamte Familie zerstört wurde und eins der Haase Kinder die kriminellen Machenschaften von Jugendämtern, Gutachtern, Richtern usw. mit dem Leben bezahlen musste. Siehe auch hier.
Kultur des Wegschauens & Die gesellschaftliche Mitschuld
Inwieweit trägt eine solch erkrankte Gesellschaft dazu bei, dass es immer noch Misshandlungen und Kindstötungen gibt? Inwieweit verhindert gar die Gesellschaft funktionierenden Kinderschutz?
Eventuell wäre ein anderer Ansatz der bessere Weg, um möglichst vielen Kindern Leid zu ersparen. Es ist eine ethische Frage, ob präventiver Kinderschutz zu Lasten zig tausender Familie Jahr für Jahr angewandt werden darf.
Eins ist klar: es muss Schutzmechanismen für Kinder geben. Aber auch klar ist: Die Folgen eines ungerechtfertigten, aber auch die eines gerechtfertigten Kindesentzugs dürfen nicht unbeachtet bleiben.
Tsokos beharrt auf seinen Einschätzungen. Demgegenüber stehen seit vielen Jahren Zitate wie jene:
„Es unterliegt keiner Kontrolle.“ (gemeint, das deutsche Jugendamt)
„Manche Ämter betätigen sich als eine Art Elternverfolgungsbehörde.“
„Der einzelne Sozialarbeiter im Jugendamt ist mit großer Macht ausgestattet, mit ihr kann er zerstören oder aufbauen. Dass diese Macht missbraucht wird, kommt immer wieder vor.“
(Quelle: Interview Sabine Rückert mit Heribert Giebels, „Das Jugendamt hat immer Recht“, Heribert Giebels, ehem. Jugendamt Homburg und stellvertretender Vorsitzender des Kinderschutzbundes Saarland – nach DIESEN klaren Worten übrigens strafversetzt)
„Außerdem sei die Ursache einiger blauer Flecken an seinem Körper ungeklärt. Tatsache ist: das Kind ist hyperaktiv. 9 Uhr, Übergabe vor dem Jugendamt. Die angeblichen blauen Flecken kann Elisabeth Sodies, Rechtsbeistand der Familie nicht bestätigen.“
(Quelle: Bayerischer Rundfunk report MÜNCHEN „Kindesentzug auf Verdacht? Die unkontrollierte Macht der Jugendämter“
„Das ist das Jugendamt, wie man es immer wieder erlebt: Kritiker werden plattgemacht, Medienberichterstattung be- und verhindert, kritische Journalisten mit astronomischen „Schadenersatz“forderungen überzogen. Die eigenen Mitarbeiter bleiben ungeschoren, solange sie sich nicht kritisch äußern.
Doch welche Spur der Verwüstung hinterlassen sie bisweilen: Zerstörte Familien, zerstörte Leben bis hin zum Suizid, zerstörte Existenzen – aus gutsituierten Menschen werden Hartz IV-Empfänger. Meistens endet die Geschichte hier. Wenn es aber tatsächlich einmal gelingen sollte, einem Jugendamts-Mitarbeiter Fehlverhalten nachzuweisen, passiert – gar nichts!“
(Quelle: Saarbrücker Zeitung, Michael Jungmann)
Propagandistische Stimmungmache?
Die Deutsche Gesellschaft für Rechtsmedizin steht dem Buch Deutschland misshandelt seine Kinder nicht unkritisch gegenüber. RTL zitiert den Vorsitzenden Thomas Bajanowski wie folgt:
„Sicher kann fast jeder Rechtsmediziner aus seiner beruflichen Praxis Beispiele nennen, die die eine oder andere dieser Thesen stützen“
Dieser Einschätzung kann man sich anschließen. Verständlich, dass Rechtsmediziner stark sensibilisiert sind, was Kindesmisshandlungen und Kindstötungen angeht. Jene haben tagtäglich mit dem Leid der Menschheit zu tun. Und jene sind es, die misshandelte kleine Körper auf dem Seziertisch liegen haben und dem Grauen gegenüberstehen. Online berichtet Focus mit Bildern.
Bajanowski fehlen auch „belastbare Daten und eine differenzierte Analyse“, so der RTL Bericht.
Wegschauen – Das tägliche Verbrechen an zig Tausenden Familien
Die Gemüter sind erhitzt. Macht das blind gegenüber dem Leid, was Jugendämter und andere Wächter des Kindeswohls unzähligen Familien antun, weil sie unter dem Druck der Öffentlichkeit stehen? Druck, den Bücher wie Deutschland misshandelt seine Kinder und Berichte wie jener bei Focus auf Gesellschaft und Behörden ausüben?
Ist das Populismus?
Machen wir uns nichts vor. Die Herausgabe eines Buches, das ein so sensibles und zugleich grausames Thema aufgreift, polarisiert nicht. Es wird zur Pflichtlektüre für zahlreiche Berufsgruppen und Menschen, die sich nicht unabhängig informieren wollen. Ein solches Buch lässt die Kassen klingeln und verleiht Prestige.
Vize-Vorsitzende des Deutschen Richterbundes, Andrea Titz bewertet laut RTL Artikel Aussagen Tsokos unter anderem als populistisch.
Gewiss steht die Gesellschaft in der Pflicht, dringend zu überlegen, wie man Kinder schützen kann. Doch vergessen werden darf dabei keinesfalls, was passiert, wenn Schutzmaßnahmen fälschlich oder zu Unrecht angewandt werden, wie zum Beispiel hier.
Fakt ist, ungerechtfertigte Kindesentzüge gibt es in ungeheurem und ungeahntem Ausmaß. Nach der Annahme vieler gibt es sie nicht. Weil nicht sein kann, was nicht sein darf. Es gibt auch gerechtfertigte Inobhutnahmen. Methoden, die hierbei oftmals angewandt werden, sind oft schlimmer, als die familiären Probleme, die dazu führten. Die Herausnahme eines Kindes aus dem familiären Umfeld stellt allzu oft selbst eine Misshandlung am Kind dar. Nicht das kleinere Übel oder gar das Beste für das Kindeswohl, wie viele Bürger glauben.
Lieber ein Kind zu voreilig aus seiner Familie herausgeholt, als zu spät. Da ist sich die Öffentlichkeit angesichts der medialen Berichterstattung einig. Über den Kindsmord durch Eltern, respektive Pflegeeltern, sind alle schockiert. Was ist aber, wenn es zu Falschgutachten kommt? Was aber ist mit den unzähligen Morden an Eltern- und Kinderseelen durch die Herausnahmen? Was ist mit all den Väter- und Kinderseelen, wenn Jugendämter und Gerichte dem falschen Tatvorwurf des Kindesmissbrauchs aufsitzen und Kinder und Väter um sich berauben?
Kein revidierender und aufhebender Gerichtsbeschluss nach Jahren kann die tiefen Traumata dieser Kinder und Eltern aufheben. Kein Geld der Welt kann diese Menschen in ein normales Leben zurückführen. Und wie im Fall Haase, können 50.000 Euro Schmerzensgeld das tote Kind Lisa Marie Haase wieder lebendig machen. Zurück bleiben Familien, die den lebenslänglich mehr Geld kosten, als es effizienter Kinderschutz je tun könnte. Auch ein runder Tisch in 50 Jahren kann die Schuld des Deutschen Volkes nicht wieder gut machen.
In der Gegenwart schaffen wir ein Volk, dessen Eltern zunehmend in Angst vor einem willkürlichen Staatseingriff leben müssen. Die Anzahl jener Eltern, deren Angst berechtigt war, steigt von Tag zu Tag. Familien, wie die Eluis, erhalten in anderen Ländern politisches Asyl. Eltern entführen ihre Kinder aus der Hand des Staates, um das unermessliche Leid zu beenden. Menschen wie Olivier Karrer kommen in Haft, weil sie bei den Entführungen geholfen haben sollen.
Dass jährlich zig Hunderte, wenn nicht inzwischen sogar schon Tausende Hilferufe von betroffenen Familien an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte geschickt werden und Jahr für Jahr immer mehr Familien alleine auf Verdacht zerrissen und lebenslänglich getrennt werden, darüber verlieren Tsokos und Guddat/Etzold nicht. Angesichts mit Bedacht herausgepickter Bilder aus den Leichenhallen muss man wohl auch nicht faktenbasiert und gegenüberstellend sich mit dem wichtigen Thema Kinderschutz befassen.
Fazit: Mit Propaganda und Populismus wird kein Kind geschützt, sondern dem willkürlichen Missbrauch an jährlich zig Tausenden Familien weiter Tür und Tor geöffnet. Das Humankapital Kind (und ebenso Vater und Mutter) wird weiter und noch mehr finanziell ausgeschlachtet. Der Buchtitel Deutschland misshandelt seine Kinder muss also doppeldeutig verstanden werden.
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